Wieviel gummibÄrchen braucht ein Mann, um zu vergessen.

Ein gesunder Geist (?) in einem gesunden Körper.

Seit einiger Zeit bin ich Mitglied in einem Fitnessclub. Nicht etwa, weil ich diese Institution für eine wichtige kulturelle Errungenschaft unserer westlichen Zivilisation halte, sondern weil mein geliebtes Weib mir klarmachte, dass ein Waschbrettbauch meinen Leib durchaus zieren und ihr Wohlgefallen hervorrufen könnte. Sie erklärte sich auf mein Murren allerdings bereit auch selbst mitzumachen. Entweder trieb sie die Angst, mein gestählter Körper könnte zu viele Blicke attraktiver sportiver Frauen auf sich ziehen oder sie wollte einfach nur sicher gehen, dass ich nicht statt Gewichte ein paar Stück Kuchen stemmen gehe. Ich ziehe die erste Erklärung vor...

Zu meiner Überraschung hat ein modernes Fitnessstudio nicht mehr viel mit dem gemein, was ich mir darunter vorstellte. Es gab keine schwitzenden Muskelberge, die nur mühsam aufrecht gehen konnten und sich grunzend artikulierten. Die Luft war auch nicht schweiß- und anabolikageschwängert und der diensthabende Vorturner, der uns alles zeigte, war sehr nett. Soviel zum Thema Vorurteile.

Drei Stunden Überzeugungsarbeit zeigten ihre Wirkung: Wir traten beide ein.
Das netteste an dieser Form der Freizeitbeschäftigung ist nicht etwa der schleichende Muskelaufbau, der es mir erlaubt nun noch längere Zeit als vorher schmerzfrei vor dem Fernseher zu sitzen, sondern die soziologischen Studien, die man während der Leibesübungen betreiben kann. Ich glaube ein Großteil der älteren Herren die an Ertüchtigungsmaschinen sitzen und gelegentlich ein paar unerhebliche Gewichte bewegen sind Verhaltensforscher. Oder einfach faul, wie auch immer.

Für mich am lehrreichsten ist der Umstand, dass das Fitnesscenter eines der wenigen Biotope ist, in denen Männer die volle Breitseite der geschlechtsspezifischen Diskriminierung am eigenen Leibe erfahren können. (Evtl. geht das vielleicht noch beim Unterwäschekauf. Ich denke nur an die Frage: "Welche Größe hat denn ihr Mann?", wenn man selbst einen Schritt daneben steht.)

Aber als muskelaufbauwilliger Mann ist man im Fitnessstudio für das Trainingspersonal nicht existent. Scheinbar haben die Herren (vor allem die, Damen gibt‘s nicht so viele) Körperentwicklungshelfer verinnerlicht, dass ein echter Kerl von Natur aus weiß, wie er seine Muskeln ordentlich aufbaut oder es ist ihnen egal oder sie wollen einfach lieber der holden Weiblichkeit zu Diensten sein.

Wenn ich mich an einem Folterinstrument abmühe, gegen alle Hebelgesetze ankämpfe und mir gerade Dauerschäden an mehreren Gelenken und mindestens einem inneren Organ zufüge, ist das Letzte, was ich vor Eintritt des Schutzkomas noch sehe ein Rudel Trainer, die in der Ecke stehen und sich über Körperenthaarung unterhalten oder sich ihre neuesten Tattoos zeigen.

Taucht aber ein halbwegs ansehnliches Mädel auf, das sich ein wenig hilflos auf ein Hallenfahrrad setzt, sind ohne erkennbare zeitliche Verzögerung ca. vier junge Männer um sie bemüht, die die Pedale richtig einstellen, die Anzeige polieren, isotonische Getränke darreichen und allerlei Fitnesstipps absondern. Neulich erst durfte ich beobachten, wie ein Trainer sich 90 Minuten Zeit nahm um zwei weiblichen Neuankömmlingen all die lustigen Geräte zu erklären an denen ich seit Monaten vor mich hin dilettiere.

Kurze Vorgeschichte: Der Anstaltsleiter hatte uns empfohlen vor Aufnahme des Trainings bei einem assoziierten Sportmediziner einen Check-Up machen zu lassen. Das sei notwendig, um einen ordentlichen Trainingsplan erstellen zu können. Der „Trainingsplan“ soll normalerweise dem Ertüchtigungswilligen ein Programm zur Verfügung stellen das seine Muskeln in idealer Weise fordert. Damit soll eine einseitige Belastung vermieden und Trainingsfortschritte protokolliert werden. Schönes Konzept.

Nach dem Besuch bei dem Sportmediziner besaßen mein Weib und ich die Naivität um die Ausarbeitung eines solchen Trainingsplanes zu bitten. Wir verhielten uns relativ uncool: Wir machten einen Termin aus und zwar an einem Samstag, weil da weniger los ist. Zudem hatten wir uns auch noch einen Trainer ausgesucht, der zumindest teilweise in der Lage zu sein schien, einen korrekten Satz zu formulieren. Als wir pünktlich eintrafen war der erste Satz: "Ich kann heute natürlich nur einen beraten, fangen wir mit dir an." Wen meinte er wohl? Richtig.

Mir wurde nach mürrischem Rummosern ein Hilfswilliger zugeteilt, der mir innerhalb einer Viertelstunde einen Trainingsplan zusammennagelte. Den Bericht des Sportarztes konsultierte er aus unerfindlichen Gründen nicht und die Übungen entsprachen mit verblüffender Genauigkeit meinem alten Trainingsplan. Meinem geliebten Schatz wurde die übliche Rundumversorgung zuteil: Knappe zwei Stunden lang wurde sie in den Gebrauch einer Isomatte eingewiesen, erhielt eine solide Unterweisung in Muskelaufbau und richtiger Ernährung, weiß seitdem Bescheid über die geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen Übungs- und Pausenzeiten und vieles mehr.

Am Ende fragte der Trainer SIE noch, ob ICH zufrieden sei.
Beim nächsten regulären Trainingstermin sprach er SIE erneut an - ich quälte mich ca. einen Meter entfernt auf einer Laufmaschine - und gab IHR den Rat: "Wenn SEIN Trainingsplan nix taugt sollte dein Mann sich einen neuen machen lassen." Kurz darauf wurde ich ohnmächtig.

Im Krankenhaus - ich konnte schon nach wenigen Tagen wieder feste Nahrung bei mir behalten - hörte ich wie der behandelnde Arzt während der Visite zu meiner Frau (!) sprach: "Ihr Mann sollte sich nicht so überanstrengen, achten sie etwas auf ihn."

 

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