Wieviel gummibÄrchen braucht ein Mann, um zu vergessen.

Mein schönstes Ferienerlebnis...

Einmal im Jahr zieht es mich in die Ferne. Ich überwinde meine naturgegebene Heimatverbundenheit und beschreite neue ungewöhnliche Wege. Der ungewöhnliche Weg diesen Sommers führte uns in die Normandie.

Mit einem Frankreichaufenthalt verbindet der Laie ja gerne lukullische Ausschweifungen und gastronomische Extravaganzen. Leider falsch, null Punkte, setzen Sechs. Die Normandie zumindest ist schlemmtechnisches Niemandsland. Ich muss es wissen, denn ich habe es am eigenen Leibe erfahren dürfen.

Essen gehen in der Normandie ist kein besonders erfolgversprechendes Vorhaben. Besonders, wenn man wie ich, Tiere als Nahrungsmittel bevorzugt, die im Laufe der Evolution Wirbel ausgebildet haben; Lungen finde ich auch nicht schlecht. Die Speisekarte reduziert sich dadurch für mich auf 10% des eigentlichen Umfangs. Und das bedeutet Hackfleisch oder Huhn und, nennt mich pingelig, beides vertrage ich nur in durchgebratenem Zustand.

In einem Restaurant dessen Spezialität "Moules frites" also "Muscheln mit Pommes" sind (also eigentlich alle Restaurants an der normannischen Küste) versteht man sich übrigens nur selten auf die Zubereitung anderer Speisen, Salat eingeschlossen. Lokale Spezialitäten sind daneben noch "tripe frites" also Pansen mit den unvermeidlichen Pommes, etwas das man in kulinarisch zivilisierteren Gegenden maximal seinem Hund zumutet. Ein "Sandwich" ist hier meistens ein halbes Baguette belegt mit allem, was man in der Küche so findet, auch hier gibts durchaus Pommes als Brotbelag.

Das übliche Menü sah also so aus: Mein Schatz bestellte sich etwas, das aussah wie aus "Men in Black" entsprungen, ich orderte Hacksteak mit Pommes. Das kann man übrigens auch bei dem Restaurant mit dem schottischen Namen bekommen, und zwar besser - und eine Cola gibts auch noch dazu.

Da ich während der Fahrt Geburtstag hatte nutzten wir die Möglichkeit ein Festmahl in der bedeutendsten Gourmetkette des Landes einzunehmen: bei "Flunch". Eigentlich ist es eine Restaurantkette wie viele andere, die sich in den großen Shoppingcentren eingenistet hat. Aber Flunch ist anders. Hier kriegt man Beilagen so viel man will. Man wählt einfach eines der, zudem recht günstigen, Hauptgerichte und darf sich dazu aus dem reichhaltigen Beilagenbuffet auf dem Teller schaufeln bis die Schwarte kracht. Bei Franzosen, jung wie alt, bedeutet das Fritten, Fritten und noch mehr Fritten.

Meine Liebste wählte "Galette americain", das ist ein Crêpe artiger Pfannkuchen aus Buchweizenmehl (eine bretonische Spezialität übrigens), hier völlig untypisch gefüllt mit Cole Slaw und Hamburger. Und dazu Fritten und Gemüse. Pervers aber geil. Ich wählte Hacksteak, das ich unter einem Berg von Gemüse und frittierte Kartoffeln erstickte. Zum Nachtisch dann noch Ile flottant bzw. ein immenses Stück Obstkuchen und der Tag war gerettet. Leider blieb dieser kulinarische Glücksfall ein Einzelfall. Aber ich denke gerne daran zurück.

Schnelligkeit ist ebenfalls nichts was man in der normannischen Gastronomie erwarten sollte ein "Resto-Rapide" erreicht gerade mal Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Zubereitung einer großen Schale Pommes (übrigens 3,50 Euro, Ketchup extra). In einer Waffelbäckerei warteten wir - wir waren die einzigen Gäste - knappe 15 Minuten auf unseren Snack. Frankreich ist wohl das einzige Land, in dem man in einer Imbissbude verhungern kann.

Wir Deutschen wurden ja bekanntlich von einer euroumstellungsbedingten Preissteigerungswelle epischen Ausmaßes erdrückt. In anderen Ländern erhöhte der Einzelhandel die Preise nicht. Ich weiß jetzt auch warum. Hier war schon alles überteuert. Mehr geht einfach nicht.

Eine schäbige Pizza mit Käse und Tomaten erreicht schwindelerregende 8 Euro, die kleine Cola dazu schlägt mit 2,50 Euro im Portemonnaie ein. Ich habe Familienväter von Weinkrämpfen geschüttelt vor einer Speisekarte zusammenbrechen sehen.
Das von mir gewohnheitsmäßig in nicht unwesentlichen Mengen zu mir genommene Speiseeis ist hier fast so teuer wie, ja wie eigentlich...wie alles eigentlich. Zu Hause erregt mich schon der nach der Euroumstellung teilweise auf 70 - 80 Cent gestiegene Kugelpreis derart, dass ich mindestens drei Bällchen Schoko brauche um mich wieder zu beruhigen. Hier kostet ein kleines Bällchen Eis 2 (in Worten "Zwei") Euro. Und das Unverschämteste: die Waffel kostet teilweise extra. Allerdings gibt es Mengenrabatt, drei Kugeln Eis kosten nur noch 5 Euro. Wenn ich bei uns beim Italiener für 5 Euro Eis hole, bekomme ich noch extra Sahne und die Hand seiner Tochter dazu.

Ein "Magnum" , meine favorisierte Ersatzdroge, liegt allerdings auch schon bei 2,30 Euro, wahrscheinlich handelt es sich um eine, unserer Mineralölsteuer vergleichbare, "Eisabgabe", die nicht unwesentlich zur Deckung des französischen Haushaltsdefizites beitragen dürfte.

Ein hungerindizierter Mittagsstopp gab meinem Vertrauen in die französischen Gastronomie den Gnadenstoß. Ok, es war nur die Cafeteria eines Supermarktes, aber ich bin schon nachts im Vollrausch zum Kühlschrank gewankt und habe mir liebevollere Gerichte komponiert, als diese Garküche.

Die in einem Anfall von Übermut "Hacksteak mit Pommes" genannte Speisensimulation, die wir vorgesetzt bekamen spottete jeder Beschreibung. Ich besaß zudem die Verwegenheit, die auf der Karte angegebene große Cola (0,5 Liter) zu bestellen. Gab es nicht. Ich musste also die, natürlich relativ teurere, kleine Cola (0,25 l) nehmen. Der gewiefte Gastronomiearithmetiker hätte jetzt vielleicht gerechnet, 2 x klein macht ja einmal groß, bringen wir dem guten Gast also einfach zwei kleine Buddeln, wenn die große halt mal aus ist und er ist‘s zufrieden. Aber nein, keine Chance. Erwähnte ich, das es sich um die Cafeteria eines gut sortierten Supermarktes handelte, wo große Kontingente Cola in diversen Flaschengrößen feilgeboten wurde? Vielleicht war es auch einfach die Rache des Garcons für vier Jahre Besetzung im Weltkrieg oder die letzte Fußball-WM, wer weiß.

Auf jeden Fall war ich froh, wieder zurück in Darmstadt zu sein (das muss man sich vorstellen), Kultur alleine macht eben nicht satt. Ich schleifte meine Liebste gleich am Abend der Heimkehr in mein Lieblingsrestaurant "Eichbaum Tresen". Da gibt es nämlich den besten Hackbraten der Welt, mit Bratkartoffeln.

 

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