675 Jahre Darmstadt - 2

Willis Heimatstadt Darmstadt wird dieses Jahr als Stadt 675 Jahre alt, Grund genug einen mehrteiligen Rückblick in Angriff zu nehmen. Der erste Teil geht bis zu dem Jahr in dem Darmstadt Hessisch wurde.

Darmstadt - 2

Der zweite Teil der Darmstadt-Rheihe in den W-Akten beleuchtet die Zeit vom ersten Landgrafen 1567 bis zum letzten Großherzog 1918. Da aber nicht alle Bürgermeister und Lokalitäten interessant sind gibt es eher Fakten zu Darmstadt, von denen man auch außerhalb Darmstadts mal was gehört haben könnte, äh... natürlich gehört haben muss. ;-)

Nachdem Darmstadt 1483 Teil Hessens und sozusagen südhessische Provinz geworden war, wurde es 1567 Hauptstadt. Zwar nicht von Hessen sondern von der „Teil-Landgrafschaft“ Hessen-Darmstadt. Denn der verstorbene Landgraf Phillip der Großmütige hatte sein Land unter seinen Söhnen verteilt.

Landgraf Georg I. von Hessen-Darmstadt begann dann auch mit ganz neumodischen Zeugs: Er machte eine Diestreise nach Italien und brachte von dort Sanduhren, einen Kompaß und Seidenraupen für einen Seidenzucht mit. Er kaufte auch Tannensamen, um eine Forstwirtschaft aufzubaue. Und er machte eine Kaninchenzucht auf. Diese Kaninchen werden später als „Lappings“ zum Wahrzeichen des Stadtteils Bessungen. „Lapping“ ist eine Verballhornung des französischen Wortes „lapin“ für Kaninchen.

Landgraf Ludwig V. brach 1619 wegen Piraten eine Wallfahrt nach Jerusalem in Malta ab. Zum Dank erhält der maltesische Johannitergroßmeister eine Riesen-Kartaune (eine Art Kanone). Diese Kanone steht noch heute in Malta vor der Kathedrale La Valettas.

Auch der Dreißigjährige Krieg findet in Darmstadt statt: 1622 wird Darmstadt besetzt und die Dörfer drumherum geplündert. 1629 wird der Hof nach Gießen verlegt. 1631 müssen die Schweden in Rüsselsheim einquartiert werden.

Zum Gedenken an die Rheinüberquerung der schwedischen Truppen steht am Rhein im heutigen Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue eine „Schwedensäule“.
1663 plante Landgraf Ludwig VI. den Ausbau Darmstadts zu einer Festung wie Mainz. Das Geld reichte aber nicht. Was auch wiederum Glück war. Denn Mainz hatte durch seinen Festungsausbau später für Jahre seine wirtschaftliche Entwicklung blockiert. Denn damit die Festung „funktionierte“ musste ein Gebiet vor der Stadt als Schussfeld freigehalten werden. Damit konnte man aber die Stadt nicht mehr ausbauen, denn neue Häuser durfen im Schussfeld natürlich nicht gebaut werden.

1668 darf der Apotheker Friedrich Jakob Merck die Engel-Apotheke am Schloßgraben übernehmen.

Die Engel-Apotheke gibt es heute noch, sie steht inzwischen am Luisenplatz und Friedrich Jakob Mercks Nachfahren werden die Firma Merck gründen, die noch heute einer der großen deutschen Pharmahersteller ist.

1738 plante der Baumeister de la Fosse einen barocken Schlossneubau. Wäre das gebaut worden, dann wäre das damals größer gewesen als die kaiserliche Residenz in Wien. Aber das Geld reicht nicht. Wäre das Schloss so gebaut worden, dann würde es bis zum hesssichen Landesmuseum reichen. 1738 erscheint auch wieder eine Zeitung, das „Darmstädtischen Frag- und Anzeigungs-Blättchens“. 1874 wird aus dieser Zeitung das „Darmstädter Tagblatt“.
1766 wurde dem gemeinen Volk Kaffeetrinken wegen „Schwächung der Gesundheit“ verboten.

Keine deutsche Stadt ohne einen ihrer größten deutschen Dichter: Johann Wolfgang Goethe besuchte den darmstädtischen Kriegsrat Merck. 1773 lässt Merck Goethes Werk „Götz von Berlichingen“ in Darmstadt drucken.

1773 vermittelte der Preußenkönig Friedrich II. (Friedrich der Große) dass drei Prinzessinen des Landgrafen nach Russland zu einer Brautschau für den Zarewitsch reisen dürfen. Die Reise war erfolgreich, Prinzessin Wilhemine heiratet den russischen Thronfolger.

1174 starb die „Große Landgräfin“ Karoline. Friedrich der Große stiftete einen Gedenkstein mit der Inschrift „fimina sexu ingenio vir“ (weiblichen Geschlechts und männlichen Geistes). Der Stein steht noch heute auf ihrem Grab im Herrngarten. Allerdings ist die Ecke durch inzwischen recht hohe Bäume und viel Efeu etwas dunkel geraten. Und daran vorbeiführende Trampelpfade, die den Weg zur Technischen Universität abkürzen, lassen die Ecke sehr normal erscheinen.
1775 übernachtet Johann Wolfgang Goethe im Eberstädter Gasthof „Zum Ochsen“.

Keine deutsche Stadt ohne den anderen größten deutschen Dichter: 1784 las Friedrich Schiller im Darmstädter Schloss aus seinen Werken „Don Carlos“ und „Fiesco“ vor.

1791 änderte der Landgraf die Farben der Darmstädter Feldzeichen von blau-weiß-rot nach rot-weiß. Blau-weiß-rot war nämlich auch die Farbe der französischen Revoltutionstrikolore.

1803 wird Justus Liebig in Darmstadt geboren. Erblich „vorbelastet“ (sein Vater ist Drogist) interessiert er sich für Chemie. Allerdings bricht er eine Apothekerlehre in Heppenheim erstmal ab. Sein Vater vermittelt ihm 1819 ein Chemiestudium in Bonn und so kann er doch noch seine Karriere als Chemiker beginnen.

Justus Liebigs Geburtshaus stand in der Darmstädter Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Heute steht an dieser Stelle das „Justus-Liebig-Haus“ in dem die Volkshochschule, das Stadtparlament, die öffentliche Galerie und die Stadtbücherei untergebracht sind.

Durch napoleonische Umstrukturierungen wird die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt 1806 zum Großherzogtum.

1814 fand man auf dem Dachboden des Gasthofes „Zur Traube“ die verschollenen Bauzeichnungen des Kölner Doms, zu der Zeit eine halbfertige Kathedrale. Der Kölner Dom hatte eine Bauzeit von 632 Jahren. Begonnen wurde der Bau 1248, war aber seit 1560 unterbrochen. Durch die in Damrstadt gefundenen Pläne war es einfacher den Bau 1823 fortzusetzen und 1880 zu vollenden.

1819 betreute die Darmstädter Ärztin Dr. Charlotte Heiland von Siebold die Geburt der späteren britischen Königin Victoria.

1826 beginnt der Apotheker Heinrich Emanuel Merck seine Chemikalienherstellung. 1842 wird die Mercksche Produktion aus der Apotheke in eine Fabrik am heutigen Mercksplatz verlegt. Inzwischen steht auf den Gelände das alte Finanzamt.

1834 gründet der Darmstädter Arztsohn Georg Büchner eine Sektion der „Gesellschaft für Menscherechte“. 1835 vollendet er „Dantons Tod“ und flieht nach Frankreich. Denn er wird wegen seiner Mitwirkung am revolutionären „Hessischen Landboten“ gesucht. Der „Georg Büchner-Preis“ ist heute ein hochdotierter deutscher Literaturpreis, der alljährlich in Darmstadt verliehen wird. Der revolutionäre Einfluss Büchners ist allerdings eher gering.

Der Dichter Ferdinand Freiligrath wohnt zwischen 1841 und 1842 in Darmstadt.

1841 heirate wieder einmal ein russischer Thronfolger, diesmal Alexander II. eine Darmstädter Prinzessin.

1862 heiratete die englische Prinzessin Alice, Tocher der Queen Victoria, den künftigen hessisch-darmstädtischen Großherzog, Prinz Ludwig.
Da Alices Schwester Victoria („Vicky“) 1858 den preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm geheiratet hatte, waren die beiden deutschen Fürstensöhne nun verschwägert. Friedrich Wilhelm und „Vicky“ waren die Eltern des späteren (und letzten) deutschen Kaisers Wilhelm II.

1871 wurde mit französischen Reparationszahlungen auch in Darmstadt ganze neue Stadtteile das Blumenthalviertel, später Johannesviertel, gebaut.
1884 heiratete die älteste Tochter des Großherzogs (die auch Viktoria heißt, wie ihre englische Großmutter Queen Victoria) den Marine Leutnant Ludwig von Battenberg. Die Battenbergs waren ein wieder eingeführtes Adelsgeschlecht (die echten Battenbergs waren 1314 ausgestorben) und sind die Nachkommen des Prinzen Alexander von Hessen-Darmstadt. Ein Teil der Battenbergs ging dann nach Großbritannien. Eine Alice von Battenberg heiratete 1903 Andreas von Griechenland. Deren gemeinsamer Sohn Philip ist besser bekannt als Prinz Philip, Ehemann der aktuellen englischen Königin Elisabeth II. Die englischen Battenbergs änderten wegen des Ersten Weltkriegs 1917 ihren Namen in "Mountbatten" um.

1886 wird der spätere General Karl-Heinrich Rudolf Wilhelm von Stülpnagel in Darmstadt geboren. Er wird 1944 in Berlin-Plötzensee wegen seines Widerstands gegen Hitler hingerichtet werden.

1890 erblickt der Schriftsteller Kasimir Edschmid ( 1966) in Darmstadt das Licht der Welt.

1894 gelingt dem Darmstädter Fürstenhaus die dritte Hochzeit mit einem russischen Thronfolger: Prinzessin Victoria Alix Helena Louise Beatrice von Hessen heiratet den Zaren Nikolaus II. Als Zarin Alexandra Fjodorowna ist sie allerdings, wie auch ihr Mann, nicht sonderlich beliebt. Auf ihre Veranlassung wird der Mönch Rasputin an den Zarenhof geholt. Der Zar und seine Frau werden die Russische Revolution 1917 nicht überleben.

1899 holte der Großherzog Ernst-Ludwig sieben Künstler nach Darmstadt und begründet so Darmstadt als Stadt des Jugendstils. Der österreichische Architekt Joseph Maria Olbrich und der Architekt Peter Behrens richten die Künstlerkolonie mit Wohnhäusern und Ateliers ein. Natürlich sind die städtischen Architekten von dem zugereisten Österreicher nicht begeistert.

Der Jugendstil heißt in anderen Ländern Art Nouveau, Modern Style, Modernismo, Stile Liberty oder Wiener Secession. Und vergleicht man sich einige Bauten auf der Darmstädter Mathildenhöhe mit entsprechenden Wiener Gebäuden, so sind die sich doch im Stil recht ähnlich.

1907 gründete der Flugpionier August Euler einen Flughafen mit Flugzeugfabrik und Flugschule in Griesheim bei Darmstadt.

1910 erhielt August Euler als erster in Deutschland das Internationale Flugzeugführerpatent Nr. 1. Er stellte auch den deutschen Dauerflugrekord auf: Er flog über drei Stunden „ohne die Erde zu berühren“.

1911 wird die 1903 in Berlin gegründete Tanzschule der beiden Schwestern Isodora und Elisabeth Duncan auf die Darmstädter Marienhöhe verlegt.

1912 wurde die erste amtliche Postflugroute der Welt eröffnet. Sie führte von Frankfurt über Darmstadt nach Worms und Mainz. Das Flugzeug stammte von August Euler und hiess „Gelber Hund“.

Auf dem Flugpaltz am Griesheimer Sand baute 1914 der Ingenieur Otto Ursinus den ersten zweimotorigen Bomber.

1915 wird der deutsche Schauspieler Hans Christian Blech ( 1993) in Darmstadt geboren.

Am 9. November 1918 wurde mit Sturz des Kaisers in Berlin auch das Großherzogtum Hessen-Darmstadt zur Republik. Der beim Volk beliebte Großherzog wurde allerdings entschädigt.

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