Die russische Oktoberevolution und ihre Vorgeschichte

Nach dem Oktoberfest wieder mal ein "Oktober"-Ereignis, dessen Name völlig falsche Datierung nahelegt:

Am 7. November 1917 war die russische Oktoberevolution. Die Konfusion mit November und Oktober ergibt sich daraus, dass 1917 in Russland noch der Julianische Kalender galt. Und nach dem Julianischen Kalender war es der 25. Oktober 1917. Aber auch in Russland wurde der Kalender dann umgestellt, sodass die 13 Tage-Differenz aufgehoben war.

Wie es dazu kam:

Man kann sehr weit ausholen (was die W-Akten ja gerne machen, bevor irgendwelche Fakten verloren gehen ;-)

Russland nach 1815

Nach dem Wiener Kongress (1815) zur Neuordnung Europas nach Napoleons Ende sind in Russland liberale Reformen geplant werden aber nicht umgesetzt. Das ist bitter, denn in Russland herrscht der Zar recht autokratisch und es gibt noch die Leibeigenschaft. Und infolge der Französischen Revolution haben auch russische Offiziere revolutionäre Ideen.

Der Dekabristen-Aufstand 1826

1825 stirbt Zar Alexander I. (Es gab dannach die Legende, Alexander I. sei nicht gestorben, sondern lebe als Einsiedler in Sibirien.)Seine Brüder Konstantin und Nikolaus drängen sich nicht gerade nach dem Zarenthron. Schließlich verzichtet Konstantin und Nikolaus wird der Zar Nikolaus I. Pawlowitsch. Die Unklarheiten bei der Thronfolge ist die Gelegeheit zur ersten Revolution in Russland. Es kommt am 26.12. 1825 zum Dekabristen-Aufstand. Dekabristen sind vom Namen her nicht besonders revolutionär, das Wort kommt vom russischen Wort "dekabr" = Dezember. Sie befürworten eine Monarchie nach britischen Vorbild. Zu ihren Sympathisanten zählt auch der Dichter Alexander Puschkin.

Die liberalen Offiziere verbreiten unter den Soldaten das Gerücht, dass Nikolaus versuche, Konstantin um den Thron zu bringen. 3000 Soldaten verweigern dem neuen Zaren den Treueid aber der Aufstand wird niedergeschlagen.

In der Folge des Dezemberaufstandes werden ca. 600 Personen verhaftet und 120 ein Prozess gemacht - sie werden nach Sibirien verbannt - damals schon ein bewährtes Reiseziel für Oppositionelle. Fünf der Organisatoren werden zum Tode verurteilt.

Alexander Puschkin kann nichts nachgewiesen werden aber wegen seiner "aufständischen" Texte untersteht er der persönlichen Zensur Kaiser Nikolaus' I.

Nikolaus I. reagiert auf den Aufstand mit Repression durch die Polizei, Pressezensur, Verbot von Auslandsreisen und Erschwerung von Einreisen.

1848 veröffentlicht Karl Marx das "Kommunistische Manifest"

Nachfolger Nikolaus I. wird 1855 Alexander II.

Aufhebung der Leibeigenschaft und andere Reformen

Die industrielle Entwicklung wird durch die bis 1861 bestehende Leibeigenschaft behindert. Aber die nach 1861 freien Bauern haben selten gutes Land, wenn überhaupt welches.

Es bilden sich die "Narodniki" (russisch für "Volkstümler") die eine neue Gesellschaftsordnung in der Tradition des russischen Landvolks fordern.

1867 erscheint Karl Marx' erster Band von "Das Kapital".

Alexander reformiert Recht und Verwaltung, ändert aber nichts am autokratischen Herrschaftsmodell.

Alexander wird von den anarchistischen Narodnaja Wolja 1881 ermordet.

Alexander III. Alexandrowitsch, der Sohn Alexanders II., folgt ihm nach. Er ist einerseits reaktionär (die "Reaktion" ist immer konservativ, sie reagiert nämlich auf revolutionäre Vorgänge) versucht aber die Rechte der Arbeiter und Bauern zu verbessern. Alexander III. ist Panslawist. Die Panslawisten streben die Vereinigung der slawischen Völker Europas an - am natürlich unter russischer Führung. Zu dieser Zeit sind weite Teile des Balkans noch vom Osmanischen Reich beherrscht.

1883 gründet sich die 1. marxistische Gruppierung in Russland.

 

Zar Nikolaus II

1894 wird Nikolaus II. Alexandrowitsch Zar. Er ist mit Alice von Hessen-Darmstadt (in Russland Alexandra Fjodorowna genannt) verheiratet. Sein Sohn der Zarewisch Alexej leidet an der Bluterkrankheit. Genau, das ist die Geschicht mit Rasputin dem mystischen Mönch, der auch Einfluss auf den Zaren ausübt. Die legendäre Zarentochter Anastasia ist die Tochter von Nikolaus II und Alexandra.

1898 findet der erste Kongress der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei statt und 1900 gründet sich die Sozialistische Revolutions Partei.

1904/1905 kommt es zum Russisch-Japanischen Krieg. Die Japaner versenken die russische Pazifikflotte und die Russen schicken als Antwort ihre Ostseeflotte in den Pazifik. Da das der japanischen Admiralität natürlich nicht verborgen bleibt stellt sie eine Falle und versenkt auch die Ostseeflotte als sie im Pazifik ankommt.

Die Revolution von 1905

In Petersburg kommt am 22.1. 1905 zum "Petersburger Blutsonntag". Gardetruppen schießen einen vom Priester Gapon geführten Massenbittgang (140.000 Teilnehmer) zusammen, als diese friedlich auf die Beantwortung ihrer Bittschrift durch den Zaren warten. 1000 Menschen werden getötet, 2000 werden verletzt.

Am 27. Juni 1905 meutert die Mannschaft der Potemkin in Odessa (Hintergrund zum Film "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein). Die anfangs erfolgreiche Meuterei wird von Kosaken dann doch niedergeschlagen.

Am 24. Oktober 1905 kommt es zum Generalstreik. Die Streikenden fordern eine demokratische Republik.

Im "Oktobermanifest" vom 30.10. verspricht Nikolaus II. bürgerliche Grundrechte und die Wahl eine Parlaments, die "Duma".

Am 6. Mai 1906 bekommt Russland vom Zaren seine erste Verfassung.

Die Duma, das russische Parlament

Die erste Duma wird gewählt und tritt am 10. Mai 1906 zusammen. Allerdings ist der Zar mit der Zusammensetzung nicht einverstanden. Er löst die Duma am 21. Juni 1906 auf. Sie hat angeblich ihre Kompetenzen überschritten.

Die Ex-Duma-Abgeordneten formulieren den "Wyborger Aufruf". Sie rufen zum zu passivem Widerstand auf. Die Bürger sollen Einberufungen zum Militär und Steuerzahlungen verweigern.

1907 wird eine neue Duma gewählt. Auch mit dieser zweiten Duma, die seit dem 5. März im Amt ist, ist der Zar nicht einverstanden. Am 15. Juni 1907 werden sozialdemokratische und sozialrevolutionäre Abgeordnete verhaftet und am 16. Juni 1907 die Duma aufgelöst.

Das Wahlrecht für die dritte Duma bevorzugt nun die besitzenden Klassen und die Duma besteht vom 14. November 1907 bis 22. Juni 1912. Na also, geht doch ;-)

Und da Parlamente-Auflösen dem Zaren soviel Freude macht löst er am 4. April 1908 den finnischen Landtag (damals war Finland ein russisches Großfürstentum) wegen "staatsfeindlicher Gesinnung" durch ein Dekret auf.

Am 1. März 1908 werden sieben angebliche Attentäter hingerichtet. Sie sollen versucht haben den Ministerpräsidenten Stolypin zu töten.

Für Stolypin war es aber nur ein Aufschub. Am 14. September 1911 verübt ein Sozialrevolutionär einen Mordanschlag, an dem Stolypin vier Tage später stirbt.

Am 17. April 1912 streiken ca 6.000 Arbeitern einer russischen Goldmine in Sibirien. 270 Streikende werden vom Militär erschossen.

Die erste Ausgabe der "Prawda" erscheint am 5. Mai 1912 in Petersburg. Herausgeber ist Josef W. Stalin im Auftrag Lenins. Lenin lebt im Exil in der Schweiz.

Erster Weltkrieg

1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Deutschland erklärt am 1. August Russland den Krieg. Nach anfänglichen Erfolgen der russischen Armee können die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn die russischen Offensiven stoppen und zur Gegenoffensive schreiten.

Die russischen Offensiven 1916 scheitern nach einigen Anfangserfolgen.

Seit 1917 ist die Versorgungslage in Russland aber auch bei den Mittelmächten stark angespannt. Nahrungsmittel und Brennstoffe werden rationiert.

Im Februar 1917 werden in Russland die Mitglieder des Zentralen Kriegsindustriekomitees verhaftet. Es kommt zu Streiks und Unruhen unter den Industriearbeitern in Petrograd (St. Petersburg, welches wegen seines deutschen Namens nach Kriegsbeginn umbenannt wurde) aus.

Am 11. März versucht der Zar mal wieder sein Liebstes: Er will die Duma auflösen. Aber die Abgeordneten weigern sich. Die Soldaten der Petrograder Garnison solidarisieren sich mit streikenden Arbeitern und weigern sich auf die Streikenden zu schießen.

Die "Februarrevolution" 1917

(Februar auch hier wegen des julianischen Kalenders) beginnt.

In russischen Städten bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte, Nikolaus II. dankt zugunsten seines Bruders Michail ab, aber die Duma proklamiert eine bürgerlichen Regierung unter Georgi J. Fürst Lwow.

Am 16. März dankt Michail ebenfalls ab und beendet die über 300jährige Herrschaft der Romanows. Am 21.3. wird die Zarenfamilie interniert.

Damit war der Systemwechsel vollzogen. Aber die Revolution war noch nicht vorbei. Das Deutsche Reich nutzt die Konfusion beim Kriegsgegner Russland und bereitet die Rückkehr Lenins aus der Schweiz nach Russland vor.

Lenin kommt nach Russland

Am 9. April durchquert Wladimir I. Lenin mit 30 Revolutionären das Deutsche Reich.

Mitte April ist Lenin in Russland und stellt am 17. April seine "Aprilthesen" auf. Er fordert eine sozialistische Revolution zur Ablösung der bürgerlichen Regierung.

Am 5. Mai 1917 wird eine neue russische Regierung gebildet. Der Krieg gegen die Mittelmächte wird fortgesetzt. Die neuen russischen Offensiven scheitern im Juli allerdings. Minitsterpräsident Lwow tritt im Juli zurück, Nachfolger wird der Kriegs- und Marineminister Kerenski.

In Petrograd findet am 16. Juni der erste gesamtrussische Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte (Sowjet ist russisch für Rat) statt, auf dem die Bolschewiken zehn Prozent der Delegierten stellen.

Mitte Juli wird ein bewaffneter Aufstand in Petrograd gegen die Provisorische Regierung niedergeschlagen und die bolschewistischen Zeitungen werden verboten. Das Presse "Prawda" wird am 20. 7. besetzt.

Im Oktober wird das russische Parlament aufgelöst - Aha, das geht auch ohne den Zaren ;-)

Die Bolschewiken boykottieren das neue republikanische Parlament und Lenin beschließt den bewaffneten Aufstand gegen die Regierung Kerenski.

Damit soll der Aufstand vor der Eröffnung der II. Gesamtrussischen Sowjetkongress (am 7.11.) losgehen. Die Regierung Kerenski versucht dem Aufstand zuvorzukommen und befiehlt einen Überfall auf eine bolschewistische Druckerei. Die Druckerei kann aber von Roten Garden und revolutionären Soldaten zurückerobert werden.

Deswegen kann eine Zeitung erscheinen die zum Sturz der Regierung aufruft.

Die Oktoberevolution

Am 7. November besetzen die Roten Garden der Bolschewiken strategisch wichtige Punkte in Petrograd und belagern den Winterpalast, den Sitz der Provisorischen Regierung.

Am 8. November stürmen die Bolschewiken den Winterpalast und verhaften die Regierungsmitglieder. Ministerpräsident Kerenski flieht zu den Truppen an der Nordfront.

Im Detail geschah folgendes in Petrograd:

1:00 Besetzung des Postamts

2:00 Besetzung des Bahnhofs und der E-Werke

6:00 Besetzung der Staatsbank

7:00 Besetzung des Telefonamtes

7:00 Ministerpräsident Kerenski flieht

10:00 Trotzki verkündet den Sturz der Regierung

21:00 Signal zum Sturm des Winterpalais

23:00 Eröffnung des Allrussischen Sowjetkongress

Es gibt praktisch keinen Widerstand, außer von den Wachsoldaten am Winterpalais.

Am 9. November wird eine Regierung der Volkskommissare unter dem Vorsitz von Lenin gebildet.

Wenige Wochen später einigt sich die Regierung unter Lenin mit Deutschland auf einen Waffenstillstand.


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