Wieviel gummibÄrchen braucht ein Mann, um zu vergessen.

Deutschland ist kaputt...

Deutschland ist kaputt. Das sage ich jetzt nicht, um diversen gerade nicht regierenden politischen Gruppierungen nach dem Munde zu reden. Die amtierende Opposition benutzt diesen Satz ja auch eher im übertragend-mythologischen Sinn. Ich rede von "kaputt" im Sinne von "reparaturbedürftig".

Wie ich darauf komme? Ich war am Samstag in einem Baumarkt.

Jetzt muss man natürlich wissen, dass sich in einer prosperierenden Metropole wie Darmstadt auf engstem Raum drei riesige Geschäfte damit erhalten könne, dass sie der bedürftigen Bevölkerung Waren verkaufen, die einzig und alleine dem Instandsetzen von defizitärem Wohnraum dienen. Erschreckend, finden sie nicht.

Aber auch bei uns war etwas kaputt: Ich benötigte eine Glühbirne. Daher setzte ich meinen Fuß in einen dieser Werkzeugtempel und war entsetzt. Regale voller Gegenstände, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte und deren Zweck sich mir auch auf den zweiten Blick nicht wirklich erschloss. Alleine der schiere Umfang des Angebotes versetzte mich in Staunen.

Es gab sage und schreibe 27 verschiedene Modelle von Akkuschraubern, in den futuristischsten Designs mit den unerklärlichsten Schaltern und Handgriffen an ergonomisch bedenklichen Stellen. Auf meine Frage an einen Berater, welches denn die besten der hier angebotenen Geräte wären, wurde ich belehrt: "Die blauen."

Die Fachkraft hatte entweder die Beschränktheit meines heimwerkertechnischen Horizontes blitzschnell analysiert und mir eine Antwort gegeben, mit der ich etwas anfangen konnte, oder schlicht und einfach selbst keine Ahnung. Aber dass sich ein wichtiger Teil unserer Industrie damit beschäftigt Geräte zu produzieren, die eine Leistung bewirken, die mein Vater früher mit einem einfachen Schraubenzieher erbracht hat, ließ mich doch nachdenklich werden.

Sehr spannend war es auch, Dutzende verzweifelte Männer vor dem Schrauben- und Dübelregal zu beobachten die Haare raufend das richtige Befestigungsmaterial aus ca. 493 verschiedenen — eben nur fast richtigen — Varianten heraussuchten. Gleichzeitig hielt wahrscheinlich zu Hause die Gattin einen Hängeschrank in Position. Meiner festen Überzeugung nach hasste Herr Fischer die Menschen als er seinen Dübel ersann.

Die bemitleidenswertesten Kreaturen aber waren Männer, die in Begleitung ihrer gesamten Familie die ehrwürdigen Hallen des Baumarktes durchstreiften. Jeder weiß ja, schon in der Steinzeit beschäftigte sich der männliche Neandertaler am Abend nach erfolgreicher Mammutjagd gerne ein wenig damit das ein oder andere Stück seiner Höhle zu verbessern und somit seinen Teil zum Familienglück beizutragen.

Was damals vielleicht ein spektakulärer neuer Steinring um die Feuerstelle war entspricht heute einer Küchenbeleuchtung die auf Klatschen reagiert, einem Teflon beschichteten Balkongeländer oder einer aufblasbaren Dartscheibe. Alles sinnhafte wichtige Details in einem funktionierenden Haushalt.

Das typische Weibchen wird aber von einem ganz bestimmten Ort magisch angezogen: "Dekomaterial und Stoffe". Ein Hort des Grauens für alle echten Heimwerker. Warum muss etwas hübsch sein, solange es funktioniert?

Das lautstarke Entzücken einer sich in kilometerlangen Vorhangstoffbahnen wickelnden Frau wird übrigens nur von dem wonnigen Grunzen eines Mannes vor einem Regal mit Patentschraubenschlüsseln noch übertönt. Beide Laute signalisieren übrigens in hohem Maße keine Paarungsbereitschaft.

Für Kinder ist ein Baumarkt eine Art Abenteuerspielplatz. Es gibt gefährliche Dinge zum anfassen, man kann auf die Sonderangebots-Tapeten-Stapel klettern oder sich ein wenig mit den auf Rollen feilgebotenen Ankerketten strangulieren. Es gibt viel zu tun...

Wähnt ein Paar alle geplanten und ungeplanten Artikel sicher in ihrem Einkaufswagen, kann man übrigens mit Sicherheit davon ausgehen, dass etwas wichtiges an der Kasse dann doch fehlt. Entweder eine Pflanze oder eines der Kinder.

Die finden sich aber, je nachdem ob Mädchen oder Junge, mit schlafwandlerischer Sicherheit bei den Stoffen oder den Schlagbohrmaschinen wieder.

Eine passende Glühbirne fand ich übrigens nicht. Auch die beiden verbliebenen Baumärkte musste ich enttäuscht verlassen, aber dank unseres kleinen Supermarktes ums Eck haben wir heute wieder Licht in der Toilette.

 

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