Alles nur Gammelfleisch?
Fäulnisvorgänge bei Lebensmitteln sind unter Umständen nur eine Reifung.
Die römische Soße "Garum" oder "Liquamen" war verfaulte Fischsuppe. Grob gesagt wurden Fische mit Salz versetzt und monatelang in die Sonne gestellt.
Die römische Fischsoße hat heutzutage durch ähnlich hergestellte asiatische Fischsoße ein Äquvalent.
Sojasoßen stellt man aus gemahlenen Sojabohnen, die mit Edelschimmel versetzt wurden her. Ach ja, sie wird zuvor noch zwei Jahre gelagert.
Abgehangenes Fleisch ist eigentlich zersetztes Fleisch. Nach dem Schlachten fangen Bakterien an zu arbeiten und lassen im Fleisch Milchsäure entstehen. Diese schwache Säure löst Kollagen im Bindegewebe auf. Kollagen ist für uns schwer zu kauen. Frisches Rindfleisch ist nicht besonders lecker, es muss abgehangen sein.
Ist Fleisch nicht richtig abgehangen, ist nicht zart und saftig.
Schweinefleisch kann man nicht so lange lagern, es sollte innerhalb einer Woche nach dem Schlachten gegessen werden.
Rind kann man schonmal 20 Tage reifen lassen.
Argentinisches Rindfleisch ist deswegen zart, weil es drei Monate gelagert wurde.
Indianer in den Great Plains hatten Büffel vergraben und ein halbes Jahr dort gelassen bis das Fleisch zart war.
Geflügel ist schon nach einem Tag abgehangen.
Marinaden sind aus Essig, Wein oder Fruchtsäften, also auch Zitronensaft. Diese Säuren denaturieren auch das Fleisch und machen es lockerer
In Asien gibt es ein Fischrezept, bei dem nur eine Marinade aus Zitronensaft den Fisch gart.
Ananas, Feigen oder Papayas haben zusätzlich Enzyme, so genannte proteolytische Enzyme, die Proteine - also Fleisch - zersetzen können. Indios in Südamerika nutzen Papayablätter um Fleisch zu marinieren.
Marinaden haben allerdings auch den Vorteil altes Fleisch noch verkaufen zu können, da sie einen verdächtigen Geschmack überdecken können. Ich sach' nur Sauerbraten...
Angeblich wurde im Mittelalter deswegen auch so viel Wert auf Gewürze gelegt, denn mit würzen konnte man so manches Stück Fleisch noch retten. Und der Wein war auch eher sauer, so dass er durch pfeffern echt gewinnen konnte.
Jäger lassen Hasen bis zu eine Woche ohne Kühlung (so bei 18 Grad Celsius) hängen. Das Fleisch wird so schmackhafter. Man nennt das auch "haut gout". Für den Handel ist das nicht zulässig.
Matjesheringen werden alle Eingeweide außer der Bauspeicheldrüse entnommen. Die Bauchspeicheldrüse bzw. ihr sich durch den Tod des Fisches allmählich selbst freigesetzender Enzymcocktail, lässt das Fleisch enzymatisch reifen. Bei diesem Vorgang arbeiten die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse im Gewebe anstelle im Magen. Genaugenommen verdaut der tote Fisch sich selbst. Das lässt das Fleisch dann so schön zart werden. Es wird u.a. Bindegewebe zersetzt und auch Muskel leicht abgebaut.
Seezunge ist ein rechtsäugiger Plattfisch. Frisch schmeckt sie wie eine Scholle. Fangen die Fische an zu faulen gewinnt die Seezunge nach zwei bis drei Tagen an Geschmack. Die Scholle allerdings verliert.
Sushi entstand als Abfallprodukt einer Konservierungsmethode für Fisch. Der Fisch wurde gesalzen und in gekochtem Reis (als Schutzschicht) in Erdlöchern eingelegt, wo er fermentierte.
Der Reis wurde hinterher weggeworfen. Der Fisch ähnelte danach wohl eher dem schwedischen Surströmming als dem heute für Sushi verwendeten Fisch.
Surströmming ist saurer Ostseehering (auf schwedisch "Strömming" für Strömling) und eine schwedische Spezialität. Macht man die Dosen auf in der er verkauft wird, dann zischt es. Weil der Fisch in der Dose weitergärt. Angeblich riecht er nach gärendem Pferdekot. Die Salzlake in der Dose sollte man besonders meiden, weil sie angeblich am fauligsten - und lange - riecht.
Anfängern wird empfohlen Surströmming-Filet zu essen und nicht den ganzen Fisch.
In Island gilt verfaulter Hai als Spezialität. Man vergräbt das Fleisch und lässt es lässt mehrere Monate fermentieren. Frisch ist das Fleisch des Eishais nämlich fies ungenießbar, weil der Fisch keine Nieren hat und jede Menge Giftstoffe im Fleisch einlagert. nach der lagerung ist es nur noch fies ;-)
Käse ist eigentlich ein geronnenes und verfaultes Tiersekret. Chinesen mögen deswegen keinen Käse. Für sie ist es verfaulte Milch.
Joghurt ist voll mit Milchsäurebakterien. Die probiotischen Bakterienkollegen wurden urspünglich aus Fäkalien gewonnen.
Buttermilch wird mit Streptokokken hergestellt. Kefir braucht einen sogenannten "Kefirpilz", ein krudes Gemisch aus Fetten und Eiweißen in dem Bakterien leben.
Schimmelpilze wachsen auf Camenbert oder Brie. Sogar bunte Pilze machen den Geschmack von Roquefort-Käse und Gorgonzola.
Salami schmeckt mit Weißschimmel auch lecker. Die Pilze zersetzen Fette und Eiweiße, und erzeugen so Aroma.
Sauerteig, aus dem man Brot backt, enthält Milchsäurebakterien und Pilze, die man hier "Hefen" nennt.
Milchsäurebakterien nutzt man zur Sauerkrautherstellung, für saure Bohnen oder koreanisches Gimchi-Gemüse.
Die chinesischen "1000jährigen Eier" sind eigentlich nur 3 Monate alt. Dazu werden Eier in einem Kalk-Asche-Erde-Gemisch eingelagert. In der Zeit faulen die Eier und werden bernsteinfarben. Das Eigelb wird grün und quarkähnlich. Für Europäer ist das allerdings sehr speziell und erscheint uns eher faulig.
Wein ist deshalb kein Traubensaft mehr, weil durch Gärung Zucker zu Alkohol wird. Das ist zwar keinen Fäulnis, aber immer noch eine Umsetzung
Graufäule und Edelfäule wird durch den Schimmelpilz Botrytis cinerea verursacht. Graufäule befällt unreife Trauben. Die werden werden schlechter. Man nennt es auch Rahfäule oder Sauerfäule. Reife Trauben werden auch befallen. Dann ist es aber Edelfäule. Sie werden veredelt, weil die Trauben durch den Pilz Wasser verlieren und so sich die Aromastoffe konzentrieren.
Bei Rotweinen zerstört Botrytis Tannine, Aroma und die Farbe. Daher sind edelsüße Weine in der Regel Weißweine.