Sudetenland ist abgebrannt

 

Gab ja gerade mal wieder Unmut wegen der Sudetenfrage, daher denke ich, es macht Sinn mal ein paar Fakten über das Sudetenland abzusondern.

Das zum früheren Böhmen, der heutige tschechische Republik, gehörende Sudetenland wurde seit dem 11. Jahrhundert von Deutschen besiedelt. Das Sudentenland bestand aus den grenznahen Gebirgslandschaften im Norden und Westen Böhmens.

Der Name Böhmen kommt vom lateinisch Boiohaemum, denn in dem Gebiet lebten die keltischen Boier. Die Boier wurden 60 v.Chr. von den Germanen "verdrängt". 9 v.Chr. kamen die Markomannen die dann Anfang des 6.Jahrhunderts n.Chr. nach Bayern einwanderten. Den Markomannen folgten Slawen, bzw. die Tschechen.

Böhmen wurde im 10. Jahrhundert Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, 1198 Königreich und 1290 Kurfürstentum. Im Rahmen der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung zogen viele Deutsche in das Land, stellten aber nie die Bevölkerungsmehrheit in Böhmen.

Nachdem das tschechische Herrscherhaus der Premysliden 1306 ausstarb kam Böhmen zu den Luxemburgern, später an Ungarn und schließlich 1526 an Habsburg bzw. Österreich.

Die Entstehung des Nationalstaatsbegriffs im heutigen Sinne bewirkten auch die Bildung einer tschechischen Nationalbewegung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dies kam in Konflikt mit dort lebenden deutsprachigen Bevölkerung, die eine starke Minorität stellte.

Infolge des verlorenen Ersten Weltkrieges wurde der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn aufgelöst und es entstanden neu Österreich, Ungarn, Jugoslawien und die Tschechoslowakei.

Der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye von 1919 (Einer der sogenannten "Pariser Vorortverträge" nach dem Ersten Weltkrieg (der "Vertrag von Versailles" und der "Vertrag von Trianon" gehören auch dazu) regelte, dass die deutschen Bevölkerung in Böhmen zur Tschechoslowakei gehörte, was nach machtpolitischen Gesichtpunkten nützlich war, aber dem Willen der deutschsprachigen Gruppe widersprach (und eigentlich auch dem propagierten Selbstbestimmungsrecht der Völker).

Deutsche, Tschechen und Slowaken waren nicht die einzigen Bevölkerungsgruppen im neuen Land. Nach einer Volkszählung von 1921 lebten in der Tschechoslowakei rund
50% Tschechen,
22,5% Deutsche,
15% Slowaken,
5,5%Ungarn,
3,5% Ruthenen und
0,57%Polen.

Dazu kam die unterschiedliche staatliche Herkunft: Die in Böhmen lebenden Tschechen und Deutschen waren seit dem Hochmittelalter Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und die Slowaken gehörten zum ungarischen Königreich. Der historische Name der Slowakei war bis 1918 "Oberungarn".

Trotz diese Unterschiede wurde nach dem Erste Weltkrieg die Tschechoslowakei gegründet. Geplant war eine "Schweiz des Osten", was aber scheiterte, da die Verfassung die mehrheitlich tschechische Ministerialbürokratie bevorzugte.

In der Tschechoslowakei waren also 22,5% der Gesamtbevölkerung Deutsche (bzw. Deutschsprechende) Das waren 3,2 Millionen Menschen die hauptsächlich im Sudetenland lebten. Das Sudentenland bestand aus den grenznahen Gebirgslandschaften im Norden und Westen Böhmens.

Nachdem die NS-Diktatur in Deutschland herrschte, begann die deutsche Volksgruppe in der Tschechoslowakei Autonomierechte zu fordern.

Dabei tat sich die Sudetendeutsche Heimatfront besonders hervor. Ihre Partei , die "Sudetendeutsche Partei" bekam bei Wahlen im Mai 1935 68% der deutschen Stimmen.

1938 erfolgte der "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich.

Adolf Hitler drängte nun Konrad Henlein, den Vorsitzenden der "Sudetendeutsche Partei, nicht erfüllbare Autonomieregelungen für das Sudetenland bei der Prager Regierung zu fordern, bzw. bei den Forderungen immer wieder nachzulegen.

Die so entstehenden Spannungen nutzte Hitler, um die Abtretung der überwiegend von Deutschen bewohnten Gebiete zu fordern.

Am 30. Mai 1938 gab Hitler die Weisung, einen Krieg vorzubereiten; um die Tschechoslowakei "in absehbarer Zeit zu zerschlagen".

Um einen Krieg zu verhindern griffen England, Frankreich und Italien ein. Der britische Premierminister Neville Chamberlain wollte durch Zugeständnisse den deutschen Wünschen entgegenkommen und Hitler erklärte, dass diese Forderung der letzte territoriale Anspruch des Reiches sei.

Am 29. September 1938 kam es zum berüchtigten "Münchner Abkommenen" von Chamberlain, Mussolini, Daladier und Hitler.

Das Abkommen verpflichtete die Tschechoslowakei, die Sudetengebiete für Deutschland zu räumen und Großbritannien und Frankreich garantierten der Tschechoslowakei Unabhängigkeit ihres restlichen Staatsgebietes.

Unglaublich war, dass das ganze Abkommen über die Köpfe der tschechoslowakischen Regierung hinweg stattfand. Vier Großmächte beschlossen das Schicksal eines Landes ohne seine Einbeziehung.

Nach dem "Münchner Abkommen" kam Chamberlain mit dem Zitat "Peace for our Time" nach London zurück. Er glaubte den Frieden in Europa gesichert zu haben, hatte aber Hitler total falsch eingeschätzt.

Hitler erhöhte nun den Druck auf die Slowaken, dass sie verstärkt ihre Selbstständigkeit fordern sollten.

Am 14. März 1939 erklärte das slowakische Parlament unter dem Druck Hitlers die Unabhängigkeit der Slowakei.

Emil Hácha, der tschechoslowakische Staatspräsident war zu diesem Zeitpunkt in Berlin auf Staatsbesuch.

Hitler zwang noch in der Nacht zum 15. März den tschechischen Teil an Deutschland abzutreten. U.a. drohte Hitler offen mit der Bombardierung Prags, wenn Hácha sich nicht gefügig zeigte. Der tschechoslowakische Staatspräsident erlitt daraufhin einen Herzinfarkt, wurde aber wieder "fit" gemacht, denn er musste ja noch unterschreiben. (irgendwie erstaunlich, dass selbst Hitler noch eine Rechtfertigung wollte).

Die deutsche Wehrmacht marschierte sofort in die Tschechoslowakei ein.

Aus der Tschechei wurde das "Reichsprotektorats Böhmen und Mähren", die Slowakei wurde ein Satellitenstaat Deutschlands.

Damit hatte Hitler zwar das Münchner Abkommen gebrochen, aber die Westmächte überreichten nur formelle Protestnoten. Die Tschechoslowakei war damit von der Landkarte verschwunden.

Aber auch andere Staaten beteiligten sich an der Neuordnung der Gebiete. Polen bekam ein Stückchen und Ungarn bekam einen ganzen Streifen entlang seiner Nordgrenze zur Slowakei.

sudetenland

Am 1. September 1939 befahl Hitler den Krieg gegen Polen und begann somit den Zweiten Weltkrieg.

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Deutschland hatte den Krieg verloren, war aber auch von der nationalsozialistischen Diktatur (Lostreten des zweiten Weltkrieges, Ermordung von etwa 6 Mio. Juden, 500.000 Zigeunern, über 27 Mio. Tote in der UdSSR, 4,5-6 Mio. Tote in Polen, etwa 1,0 Mio. Tote in Jugoslawien, 800.000 in Frankreich, 386.000 in Großbritannien, 5,25 Mio. Tote in Deutschland) befreit.

Die tschechoslowakische Exilregierung unter Edvard Benes (einer der Gründer der Tschechoslowakei 1919) erließ 1945 die Benes-Dekrete.

Die Benes-Dekrete verfügten die kollektiven Entrechtung der Sudeten- und Karpatendeutschen sowie der Ungarn. Weiterhin wurden sie entschädigungslos enteignet und aus der Tschechoslowakei vertrieben (Massaker von Aussig, "Brünner Todesmarsch").

Zum einen kann man dies als simple Rache der tschechoslowakischen Sieger werten, zum anderen war man aber bestimmt bestrebt jede zukünftige Forderung nach "heim ins Reich" durch Schaffung "ethnisch entflochtener" Gebiete zu unterbinden. Denn aus Sicht der Tschechoslowakei war es ja die deutsche Minderheit, die Hitler einen damals mehr oder weniger berechtigten Anlass ("Selbstbestimmungsrecht der Völker") gab, Gebiete einzuraffen. Und wer wusste 1945, ob in ein paar Jahren nicht wieder eine deutsche Regierung auf die Idee käme, alles einzugemeinden wo ein Deutscher lebt.

Zudem war für Deutschland ein Krieg verloren (aber richtig verloren, die bedingungslose Kapitulation war unterzeichnet , das Land war besetzt) und in der damaligen Denke waren Gebietabtretungen und Grenzverschiebungen üblich.

Am Rande: Für den tschechischen Teil der Tschechoslowakei war "Tschechei" eine übliche Bezeichnung, die erst durch die NS-Propaganda ("Rest-Tschechei") einem Missklang bekam. Deswegen spricht man heute lieber von der "Tschechischen Republik" oder "Tschechien".

Die Tschechoslowakei bestand wieder von 1945-1993. Nach Unabhängigkeitserklärung der Slowakei am 17.7.1992 trat der tschechoslowakische Staatspräsident Vaclav Havel am 20.7. 1992 zurück. Die Trennung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik wurde die zum 1.1.1993 ohne Volksentscheid beschlossen.

 

 

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