Der Erste Weltkrieg –Die Bündnisse vor dem Krieg

Vor 90 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Aber wie es sich gehört, wurde der Krieg nicht einfach angepfiffen wie ein Fußballspiel, sondern hatte einigen Anlauf nötig.

 

Als ich klein war, erfuhr ich zum ersten Mal etwas vom Ersten Weltkrieg aus einem alten Sachkunde-Buch. Ohne damals etwas darüber zu wissen, verstand ich das so, dass Deutschland damals alleine mit seinem Verbündeten Österreich stand. Allerdings war meine Vorstellung von Deutschland, die der damaligen Bundesrepublik (ohne DDR) und Österreich wie es heute aussieht. Wie ich dann feststellte war das dann aber doch etwas anders, damals 1914.

Österreich-Ungarn war ein Vielvölkerstaat und zum Land gehörten u.a. Österreicher, Tschechen, Slowaken, Polen in Galizien, Rumänen in Siebenbürgen, Ungarn, Kroaten, Slowenen, Serben in der Wojwodina und Bosnier. Deutschland umfasste das heutige Deutschland und im Osten Schlesien, Pommern, Teile des ehemaligen Polens und Ostpreussen. Wegen ihrer Lage in der Mitte Europas nannte man das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn die Mittelmächte.

Der Erste Weltkrieg war der erste Konflikt in Mitteleuropa seit 43 Jahren. Der letzte Krieg war der deutsch-französische Krieg von 1870/71 der mit der Gründung des Deutschen Reiches unter Führung des preußischen Königs endete. Der preußische König Wilhelm wurde Kaiser Wilhelm I.

Wenn man den Spruch hört „Wir wolln unsern alten Kaiser Wilhelm wieder ham“, dann ist dieser Wilhelm gemeint.

Das daraufhin gegründete Deutsche Reich ging von Ostpreußen bis Elsaß-Lothringen und erstreckte sich über 1000 Kilometer zwischen Köln im Westen und Königsberg im Osten.

Elsaß-Lothringen war zuvor französisch gewesen und wie alle Grenzgebiete zweisprachig, also nicht eindeutig zuzuordnen. Aus militärischen Gründen wurde das Gebiet 1871 zum Reichsland und gehörte fortan zu Deutschland. Die deutsch-französische Grenze war nicht mehr der Rhein sondern ein Mittelgebirgszug, die Vogesen.

Der damalige Reichskanzler Bismarck war über den Landgewinn im Westen nicht besonders glücklich, denn er sah, dass dieser Gebietsverlust die Franzosen nachhaltig auf eine Revanche sinnen ließ. Hatte doch Frankreich im deutsch-französischen Krieg seinen Kaiser Napoleon III. bei Sedan verloren.

Die Gefangennahme Napoleons III (ein Neffe Napoleons) gelang am Ende der Schlacht von Sedan am 2. September 1870. Dieser Tag wurde im Deutschen Reich dann als „Sedantag“ zu einem hohen nationalen Feiertag.

Infolge einer daraufhin stattfindenden Revolution kam die französische Dritte Republik die „dank“ des Friedensvertrags mit den Deutschen heftige Reparationszahlungen aufgedrückt bekam.

Diese Reparationszahlungen waren mit fünf Milliarden Franc in Gold so enorm, dass mit dem Geld in vielen deutschen Städten ganze Stadtviertel („Gründerzeit“) hochgezogen werden konnten.

120 Millionen Mark in dieser Kriegsentschädigung lagen als "Reichskriegsschatz" im „Juliusturm“ der Zitadelle von Berlin-Spandau.

Otto von Bismarck, zuvor preußischer Ministerpräsident, nun Reichskanzler, versuchte nun, die Stellung des neuen deutschen Staates zu sichern und nach außen kein Drohpotential aufzubauen. Denn Jahrhunderte lang zuvor war Deutschland kein einheitlicher Nationalstaat gewesen, es bestand aus zig Königreichen und Fürstentümern die nie an einem Strang zogen. Jetzt waren 25 Länder zu einem Reich vereint und das unter der Führung des militärisch starken Preußen.

Bismarck erklärte das Deutsche Reich zu einem gesättigen „saturierten“ Staat und begann geschickt Frankreich (was in den Augen der anderen Mächte den Krieg 1870/71 vom Zaun gebrochen hatte) zu isolieren.

1872 schließen Russland, Österreich-Ungarn und Deutschland den „Dreikaiserbund“ der revolutionären Tendenzen entgegenwirken soll. Schließlich gab es 1848 eine gescheiterte Revolution in Deutschland und diverse Bücher eines Karl Marx.

1878 vermittelt Bismarck auf dem „Berliner Kongress“ als „ehrlicher Makler“ zwischen Österreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland und der Türkei die Nachbereitungen des russisch-türkischen Krieges von 1877/78.

1879 beschließen Österreich-Ungarn und Deutschland den Zweibund. Es ist ein geheimes Bündnis gegen Russland. Sollte Russland einen der beiden Partner angreifen oder einen Angriff unterstützen, so unterstützen sich beide Länder gegenseitig.

1882 tritt Italien dem Zweibund bei.

1887 beginnt der Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute Nord-Ostseekanal) , der die Ostsee mit der Nordsee verbinden soll. Die deutsche Flotte kann somit ohne Umweg um Dänemark herum von Kiel nach Wilhelmshafen verlegt werden.

1887 schließt Deutschland mit Russland den geheimen und zeitlich auf drei Jahre befristeten Rückversicherungsvertrag. Der Rückversicherungsvertrag schützte beide Länder vor einem Zweifrontenkrieg und hatte drei Elemente:

1. Deutschland bleibt neutral wenn Österreich-Ungarn Russland angreift.

2. Russland bleibt neutral wenn Frankreich Deutschland angreift.

3. Deutschland sichert Russland und Bulgarien den Zugang zum schwarzen Meer zu.

Zwischen Zweibund und Rückversicherungsvertrag besteht kein Widerspruch, solange Österreich-Ungarn Russland angreift.

1887 fördert Bismarck das „Mittelmeerabkommen“ zwischen Österreich-Ungarn, Italien und Großbritannien um den russischen Druck auf das osmanische Reich abzufangen.

Russland hatte damals wie später auch später die Sowjetunion das Problem zwar das größte Land der Erde zu sein, aber keinen freien und eisfreien Zugang zu den Weltmeeren zu haben. Wladiwostok im Osten ist zu weti weg vom Europa und kann von Japan blockiert werden, Murmansk im Norden Russlands ist zwar eisfrei dank dem Golfstrom, aber leicht zu blockieren, Die Ostsee wird von Dänemark und Schweden blockiert. Sevastopol auf der Krim führt ins Schwarze Meer, aber der Ausgang ins Mittelmeer – Bosporus und Dardanellen - ist von den Türken kontrolliert.

In zwei Kriegen versuchte Russland im 19. Jahrhundert die schwächelnde Position des Türkischen Reiches auszunutzen und Kontrolle über die Meerengen zu bekommen. Im Krimkrieg 1854/56 und im russisch-türkischen Krieges von 1877/78.

Im Krimkrieg wollten England und Frankreich die russische Expansion stoppen und unterstützten die Osmanen erfolgreich gegen Russland.

1876 unterstützt das noch junge Serbien Aufständische in Bosnien-Herzegowina gegen das Osmanische Reich, verliert aber den Krieg.

Nach der Niederlage Serbiens erklärt Russland der Hohen Pforte (so nannte man die osmanische Regeirung auch) und kommt bis kurz vor die Hauptstadt Konstantinopel (heute Istandbul).

Der russische Diktatfrieden von San Stefano 1878 geht Österreich und England zu weit und wird auf dem Berliner Konress unter der Leitung Otto von Bismarcks „überarbeitet“. Russland und Serbien verlieren ihre Landgewinne, die Osmanen verwalten weiterhin große teile des Balkans und Österreich.-Ungarn verwaltet Bosnien-Herzegowina.

Das deutsche Reich unter Bismarck hält sich beim Kolonieerwerb und der Weltaufteilung zurück, auch mit der Hoffnung, dass Frankreich durch Kolonialgebiete den Verlust der Rheingrenze langsam vergisst. Aber die kolonialen Ambitionen diverser Kaufleute und die „Weltpolitik“ nach Bismarck machte Deutschland dann doch zur drittgrößten Kolonialmacht nach England und Frankreich.

Insgesamt gelingt es der Bismarckschen Außenpolitik mit mehreren Bällen gleichzeitig zu jonglieren. Unter anderem, weil zum Teil etwas widersprüchliche Vertragsinhalte natürlich geheim sind. :-)

1888 stirbt Kaiser Wilhelm I. Und sein Sohn Friedrich wird Deutscher Kaiser. Friedrich ist mit einer Tochter der englischen Königin Viktoria verheiratet und hört in vielen Dingen auf seine liberaler denkende Ehefrau. Leider ist Friedrich bei der Thronbesteigung schon unheilbar an zu spät diagnostizierten und deshalb jahrelang falsch behandelten Kehlkopfkrebs erkrankt und stirbt noch im gleichen Jahr.

1888 wird deswegen zu „Dreikaiserjahr“ in Deutschland. Der 29jährige Wilhelm II., Sohn Friedrichs wird deutscher Kaiser.

Wilhelm II. ist der Lieblingsenkel Königin Viktorias, hat aber ein gestörtes Verhältnis zu seiner Mutter. Gefördert wurde das natürlich durch konservative Kreise am preußischen Hof, denn so eine liberale Engländerin kann man eigentlich nicht brauchen. Auch wenn sie die Frau des Thronfolgers ist.

Bei Wilhelms Geburt gab es Komplikationen. Ein Arm des Babys wurde mit einer Zange gequetscht und entwickelte sich nicht richtig. Heute nennt man so etwas Behinderung, damals nannte man das „Krüppel“. Da der Junge mit dem kraftlosen und zu kurzem Arm aber der Thronfolger war wurde das natürlich nicht gesagt. Der zu kurze und zu schwache Arm wurde zwar durch Training stärker aber behinderte bei der Jagd und beim Reiten, bzw. beim Pferd besteigen.

Aber einige Kreise sahen in einem König bzw. Kaiser mit verkrüppelten Arm ein schlechtes Omen.

Nach Bismarcks Entlassung 1890 wird der Rückversicherungsvertrag im gleichen Jahr von deutscher Seite aus nicht verlängert. Den deutschen Diplomaten ist so ein vertrag einfachzu kompliziert.

Zwischen Deutschland und Großbritannien kommt es 1890 zu einem Ausgleich. Beide Länder einigen sich über ihre afrikanische Kolonien. Und Deutschland bekommt von den Briten Helgoland zurück.

Russland, von einem mit Großbritannien verhandelnden Deutschland „verlassen“ und von England bei seinen asiatischen Expansions- und seinen Flottenplänen eingeschränkt, sucht sich einen neuen Partner.

1891 beginnt der französisch-russische Konsultativpakt. Sollte einer der beiden Staaten durch den Dreibund bedroht werden werden Absprachen getroffen.

Frankreich gelingt es seine diplomatische Isolation aufzuweichen, da Deutschland Russland als Partner aufgibt um eine „freiere Hand“ zu haben. Zudem strebt der Kaiser nach einem „Platz an der Sonne“ und nach „Weltpolitik“.

1893 kommt es zur Militärkonvention zwischen Frankreich und Russland, u.a. weil spekuliert wird, dass Großbritannien dem Dreibund beitritt. Die Militärkonvention richtet sich gegen den Dreibund:

- gegenseitiger Beistand bei einem Angriff durch einen der Dreibundstaaten

- Spionage und Generalstäbe arbeiten in Friedenszeiten zusammen

- Ein Separatfrieden wird ausgeschlossen. D.h. Ein Feind soll durch die Aussicht beide Bündnispartner besiegen zu müssen einen langen Krieg vor Augen haben und so abgeschreckt werden.

1895 ist in Südafrika ein Konflikt zwischen der britischen Kapkolonie und dem Burenstaat Transvaal. Die Buren, niederländische Einwanderer, gründeten 1860 einen eigenen Staat um damals nicht unter britische Herrschaft zu fallen.Auch nach dem ersten Burenkrieg 1881 versuchten die Briten weiter Transvaal zu erobern. 1895 schlugen die Buren britische Übergriffe zurück.

Deutschland sah seine Industrieinteressen gefährdet und plante ungefragt die Buren zu schützen. Da aber deutschen Truppen im südlichen Afrika Krieg mit England bedeutet hätten, schickte Kaiser Wilhelm II. eine Depesche an den Buren-Präsidenten Paul Krüger. Er beglückwünschte die Afrikaaner zu ihrem Sieg. Was die deutsch-britischen Beziehungen natürlich belastete.

1898 kommt es bei der Aufteilung Afrikas zur Faschodakrise. Im diesem sudanesischen Ort treffen britische und französische Truppen aufeinander und sind sich uneinig wer „zuerst da war“. Die Landaufteilung ging nach dem „wer zuerst kommt mahlt zuerst“-Prinzip und hier war es tatsächlich nicht eindeutig.

1898 beginnt Deutschland auf Anregung Admiral Tirpitz' mit dem Bau einer Hochseeflotte. Das wird nachhaltig Großbritannien misstrauisch machen. Zwar würde es mindesten 25 Jahre dauern um gegenüber Großbritannien aufzuholen, aber eine starke Nordseeflotte würde England immer als Bedrohung sehen.

Die Idee des Deutschen Reiches war dass eine starke Flotte auch Großbritannien beeindrucken müsste und dass damit Deutschland Respekt erlangen könnte.

1901 misslingen deutsch-englische Bündnisgespräche. Deutschland hat Angst für die Briten als "Festlandsdegen" gegen Russland verwendet zu werden, da Russland und England Konflikte in der Meerengenfrage, Afghanistan, Persien und China haben.

1902 verbünden sich Großbritannien und Japan gegen die russische Expansion in Asien.

Frankreich und Italien einigen sich 1902 bei ihren kolonialen Ansprüchen. Italien erhält Libyen, Frankreich Marokko. Damit ist Italiens Interesse am Dreibund schwächer zumal es mit Österreich-Ungarn uneinige ist wegen der Italiener im Österreichischen Südtirol.

1904 schließen Großbritannien und Frankreich die "Entente cordiale". Beide Länder einigen sich über die Einflußsphären in Afrika. Großbritannien erhält Ägypten und den Sudan, Frankreich Nordwestafrika und Marokko. Die Entente richtet sich auch gegen Deutschland. Deutschland hat das stärkste Heer Europas, was Frankreich Sorgen macht. Und Deutschland strebt eine leistungsstarke Kriegsflotte an, was England Sorgen bereitet.

Generell ist bei diesen Abkommen das was die betroffenen kleineren Staaten wollen unwichtig. Die Großmächte schlossen Verträge über deren Köpfe hinweg.

1906 ist die erste Marokkokrise. Deutschland wäre selber gerne Kolonialmacht in Nordafrika, aber Frankreich ist schneller mit dem Einschlagen wirtschaftlicher, politischer und militärischer Pflöcke. Der Kaiser besucht den Sultan und spricht sich für Marokkos Unabhängigkeit aus.

Auf der Konferenz von Algeciras zeigt sich der geringe Einfluss Deutschlands und Frankreich kann seine marokkanischen Interessen weiterverfolgen.

1907 beginnt der Ausbau des Kaiser-Wilhelm Kanals für die neuen größeren Schiffe der deutschen Hochseeflotte. Rechtzeitig zum Kriegsbeginn im Juli 1914 wird der Kanalausbau beendet.

1907 bereinigen Russland und England ihre Interessenkonfliket in Asien. Und Russland tritt der britisch-französischen Entente bei.

1911 kommt es zur zweiten Marokko-Krise. Frankreich möchte seinen Einfluss in Marokko ausweiten, Deutschland will nur zustimmen, wenn es Kolonien in Zentralafrika bekommt. Deutschland unternimmt den „Panthersprung nach Agadir“ und schickt das Kanonenboot „Panther“ nach Marokko um Frankreich unter Druck zu setzen. Deutschland hofft durch Drohungen Frankreich zu Verhandlungen und Gebietsabtretungen in Afrika zwingen zu können.

Großbritannien steht zur Entente cordiale und unterstützt die französische Position. Am Ende kann Deutschland nur seine Wirtschaftsinteressen in Marokko weiter wahrnehmen, bei den Kolonialgebieten kommt es nur zu Gebietsaustauschen.

1912 scheitern Gespräche zwischen Briten und Deutschen über ein Flottenabkommen. Deutschland weigert sich auf alle Schiffsneubauten zu verzichten und Großbritannien ist nicht bereit dem Deutschen Reich gegenüber im Kriegsfall neutral zu sein.

Aus britischer Sicht war damit es damit endgültig vorbei mit einem deutsch-britischen Bündnis. In Großbritannien wird dies der mehr oder weniger maßlosen Anspruchspolitik des Kaiserreiches angelastet.

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges stand sich nun zwei Bündnisse gegenüber. Der Dreibund aus Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien und die Triple Entente aus Frankreich, Großbritannien und Russland.

Und die Interessenkonflikte zwischen Österreich-Ungarn und Russland auf dem Balkan und zwischen Deutschland, Großbritannien und Frankreich in der Flotten- und Kolonialpolitik warteten nur auf eine Situation, die die Bündnisautomatiken in Kraft setzte.