Wissenschaftler

Versuch macht kluch...

2005 ist das Albert Einstein Jahr. Weil Herr Einstein vor 100 Jahren, also im Jahre 1905, als Mitarbeiter des Patentamtes wegweisende physikalische Theorien publiziert hat. Damit wird - unter Marketing-Aspekten eine gute Wahl - ein Wissenschaftler geehrt, den die Menschen wenigstens kennen. Denn fragt man jemanden nach einem berühmten Wissenschaftler, also Naturwissenschaftler, so bekommt man in 90 Prozent der Fälle die Antwort: „Einstein.“ Auf Nachfrage nach weiteren Korphäen kommt meistens Schweigen. Oder es Namen wie Issak Newton, Konrad Röntgen, Paul Ehrlich und Louis Pasteur. Alles richtig, alle wichtig, aber Menschen aus dem aus dem letzten, wenn nicht gar vorletzten Jahrhundert. Denn Wissenschaft ist nicht besonders sexy, Wissenschaft ist auch nicht gut für Lifestyle-Magazin. Wissenschaftler sind auch nicht die hippen Typen auf Promi-Parties. Wissenschaft ist ein langwieriges Geschäft, bei dem man am Anfang nicht weiß, was am Ende herauskommt, ob das Ergebnis überhaupt richtig und wichtig ist. Wissenschaft ist (wie vieles) zu 95 Prozent Transpiration und zu 5 Prozent Inspiration.

Wirklich geniale Wissenschaftler sind selten. Meistens wird Genialität mit Fleiß verwechselt. Wobei Fleiß essentiell ist. Nur wer viele Experimente durchführt, bekommt genug Daten, um eine sichere Aussage machen zu können. Nur wer viel experimentiert, kennt alle „was-wäre-wenns“ und kann seine Ergebnisse interpretieren. Und überhaupt welche haben. Eine geniale Idee und ein Versuch dazu – das klappt nicht. Wenn es immer gleich klappen würde, hieße es auch nicht „Versuch“ sondern „Geling“. Es gilt also „Versuch macht kluch.“ Und einfach war es erst im Nachhinein. Denn wenn es so einfach wäre, wie man dann tut, dann würde es ja jeder machen. Und ob die Ergebnisse von bedeutung sind, kommt oft viel später heraus. Deswegen liegen auch zwischen einer Entdeckung und einem dafür vergebenen Nobelpreis Jahre bis Jahrzehnte.

Und damit man mehr als nur Röntgen, Ehrlich und Einstein kennt, kommen jetzt - willkürlich mit der Hand eines Zellbiologen herausgegriffen - ein paar Wissenschaftler aus dem 20. Jahrhundert:

Christiaan Barnard (1922-2001),
ein südafrikanischer Chirurg war ein Pionier der Herztransplanation. Im Dezember 1967 übertrug er das Herz einer verstorbenen 25-jährigen einem 55 Jahren alten Mann.Die Technik steckte noch uin den Kinderschuhen, denn 18 Tage nach der Transplantation starb der Empfänger an einer Lungenentzündung in Folge der Abstoßungsreaktion gegen das körperfremde Gewebe. Inzwischen ist die Überlebenchance mit fremden Herzen deutlich besser: Während damals Washkansky den Eingriff nur um 18 Tage überlebte, ist heute der operative Ersatz 80 % der Empfänger überleben die ersten fünf Jahre nach einer Translantation.Möglich ist das unter anderem durch weiterentwickelte immunsuppressive Therapien, die die Organabstoßung unterdrücken.

Jean F. Borel und Hartmann Stähelin
entdeckten 1969 eine Lösung des Abstoßungsproblems bei Transplantationen: Cyclosporin A. Das Molekül blockiert nach einer Transplantation nur die Teile der Abwehr, die für die Abstoßung verantwortlich sind. Entdeckt wurde die Substanz im Pilz Tolypocladium inflatum als man damals Pilze auf neue Antibiotika untersuchte. Sandoz hoffte eigentlich entzündungshemmende Medikamente zu finden. Dabei entdeckte man zufällig die Immunsuppresiven Wirkungen und konnte etwas später das verantwortliche Molekül isolieren. Cyclosporin A kam 1978 dann zum Einsatz. Cyclosporin hat auch Nebenwirkungen. Unter anderen sind das Nierenschädigungen, Blutdruckerhöhung, und Zahnfleischwucherungen. Ob Jean F. Borel oder Hartmann Stähelin den größeren Anteil an der Entdeckung hat, ist noch nicht vollständig aufgeklärt.

Peter Krammer (geb. 1946),
Professor am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ist einer der Mitentdecker eine wichtigen Oberflächenproteins unserer Zellen. Das von Krammer und seinen Mitarbeiter entdeckte Protein APO-1 ist beteiligt am programmierten Zelltod, Apoptose genannt. Im ersten Moment klingt „programmierter Zelltod“ nicht besonders positiv, ist es aber bei näherer Betrachtung doch. Denn Apoptose ist auch verantwortlich für den kontrollierten Abbau von nicht mehr benötigtem Gewebe. So werden bei menschlichen Embryos Schwimmhäutchen angelegt, aber vor der Geburt durch den programmierten Zelltod wieder abgebaut. Ein anderer „Vorteil“ der Apoptose liegt in der Tumorbekämpfung. Tumorzellen die das Signal „Apoptose“ empfangen leiten einen Selbstzerstörungsprozess ein und gehen nebenwirkungsfrei zugrunde. Aber es gibt auch Tumorzellen, die keinen Oberflächenrezeptor für apoptosische Signale tragen. Alles nicht so einfach und noch lange nicht aufgeklärt.

Das Oberflächenprotein wurde auch nicht von Peter Krammer und Mitarbeitern alleine entdeckt. Zeitgleich kamen diesem Oberflächenmolekül noch andere auf die Spur. Deswegen hat es auch verschiedene Namen. Es heißt APO-1 aber auch CD95 und Fas.

Den Apoptoseforschungen an Säugetierzellen gingen Arbeiten mit Fadenwürmern (Nematoden) voraus. Viele Nematoden-Arten haben für Entwicklungsforscher einen Vorteil: Sie haben ausgewachsen immer die gleiche Anzahl an Zellen. Da die Tiere klein sind ist auch die Zellzahl recht überschaubar. Es gibt inzwischen einen "Zellstammbaum" der sehr genau verfolgt wie ein ganzer Fadenwurm aus einer befruchteten Eizelle entsteht.
Sydney Brenner, H. Robert Horvitz und John E. Sulstonlegten diese Grundlagen und bekamen dafür den Nobelpreis des Jahres 2002 in Physiologie oder Medizin. Die drei haben entscheidende Entdeckungen auf dem Gebiet der Organentwicklung gemacht und die Regulierung des programmierten Zellsterbens untersucht. Sydney Brenner, H. Robert Horvitz und John E. Sulston untersuchten den Nematoden Caenorhabditis elegans (C. Elegans) als Modellsystem und konnten den Weg der befruchteten Eizelle bis zum erwachsenen Individuum genau verfolgen. Dabei beschrieben sie wichtigen Gene, die Organentwicklung und den programmierten Zelltod. Sie entdeckten auch dass es es entsprechende Gene bei höher entwickelten Organismen, einschließlich Menschen, gibt.

Das schöne an diesem Nobelpreis ist, dass die Forscher ihre Arbeiten mit einen Tier durchführten, das vollkommen uninteressant für die Humanmedizin erschien. Fadenwürmer sind höchstens als Parasiten interessant, aber ansonsten eher unscheinbar. Und ich möchte nicht wissen wie viele hochrangige Forscher diese Forschung im „Fadenhaufen“ anfangs belächelten. Aber das ist nunmal das Wesen von Grundlagenforschung. Man weiß nicht was es am Ende bringt.

Sydney Brenner (geb. 1927)
etablierte C. elegans als neuen Modellorganismus, John Sulston (geb. 1942) erstellte den "Zellstammbaum“ und bewies, dass für bestimmte Zellen der programmierte Zelltod Teil der normalen Entwicklung ist. Robert Horvitz (geb. 1947) entdeckte und charakterisierte die Gene, die die Apoptose bei C. elegans steuern. Er wies auch nach dass es entsprechende Gene beim Menschen gibt.

Carl Djerassi (geb. 1923)

ist Chemiker und entwickelte mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock echt was praktisches und etwas von nachhaltiger Wirkung: die „Pille“, bzw. die Antibabypille. Anfang der 1950er Jahre gelang es ihm bei der Firma Syntex in Mexico City das Schwangerschaftshormon „Gestagen“ künstlich herzustellen und es auf eine orale Einnahmeform zu bringen. In den USA wurde die Anti-Baby-Pille 1957 zugelassen. Da Abtreibung in den meisten Staaten noch verboten war, fand die Pille schnell ihre Kundinnen. In Deutschland gibt es die Pille seit 1962. Auch entwickelte Djerassi die synthetische Herstellung des Hormons Cortison, welches als Entzündungshemmer breit angewendet wird.
Seit Mitte der 1980er Jahre veröffentlicht Carl Djerassi Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und sogenannte "Science-in-Fiction"-Romane.